Historie unserer Gemeinschaft

75 Jahre Siedlergemeinschaft Broistedt

Festrede mit Auszügen aus der Chronik zur Feier

am 13. August 2011 um 18:00 Uhr in der Turnhalle der Grundschule Broistedt.

 

Erst einmal möchte ich allen Geburtstagskindern, den lieben Siedler-Schwestern und Brüdern zum 75-zigsten gratulieren und weil ich kein Udo Jürgens oder Howard Carpendale bin, habe ich meinen Freund den Caruso mitgebracht, der euch diese Ständchen singt. „Happy Birthday !"

 

"Ganz herzlich begrüße ich auch alle Ehrengäste, die Vertreter der befreundeten Siedlergemeinschaften, die Vertreter der Vereine und sollte ich jemanden vergessen haben, ein lieber Gruß an alle, die sich hier im Saal bzw. in der Turnhalle zusammengefunden haben.

 

So, nun stehe ich hier, soll was Schlaues zu 75 Jahre Siedlergemeinschaft Broistedt erzählen und es soll kurz sein, verständlich, soll Niveau haben und lustig soll es auch noch sein und ein wenig aufgeregt bin obendrein.

 

Eine Anmerkung am Anfang in eigener Sache. Weil ich noch keine 100 Jahre bin, obwohl ich manchmal so aussehe, denn so alt müsste ein Gründungsmitglied mindestens heute sein und als sog. Zugereister vor 31 Jahren nach Broistedt kam bzw. als Schriftführer erst seit 13 Jahren im Siedlergemeinschaftsvorstand bin, werde ich auf Plagiate zurück greifen und deshalb verzichte ich im Voraus unter Zeugen darauf, dass mein Vortrag zur Grundlage einer Doktorarbeit dient.

 

So, dann wollen wir mal.

 

Die Wurzel der Dachorganisation des Deutschen Siedlerbundes e.V. heute Verband Wohneigentum e.V. reichen bis in das Jahr 1919 zurück. Dieser erste Zusammenschluss nannte sich „Freie Arbeitsgemeinschaft für Kriegersiedlungen e.V." mit Sitz in Dresden. Der Verein erstreckte sich über das gesamte Reichsgebiet und sollte heimkehrenden Soldaten Arbeit ermöglichen, Familien Unterkünfte schaffen, ja man wollte das Schicksal eben wie es so schön heißt: „selbst in die Hand nehmen". In den folgenden Jahren wechselten Name und Sitz des Vereins und im Jahr 1935 erkannte der Reichsarbeitsminister den „Deutschen Siedlerbund e.V.", als einzige Organisation der Kleinsiedler im damaligen Deutschen Reich an.

 

Kaum war der „Deutsche Siedlerbund" 1935 geboren, wurden einige Pioniere in Broistedt aktiv. Es waren 23 Männer der ersten Stunde, die die Siedlergemeinschaft Broistedt am 26. April 1936 gründeten.

 

Hermann Achilles               Karl Koch

Otto Beddies                      Albert Kreie

Wilhelm Beddies                Gustav Maßberg

Gustav Cleve                       Karl Mette

Mathias Daufer                   Heinrich Möller

Josef Gorcak                      Hermann Övermann sen.

Fritz Graumann                   Georg Politz

Hermann Grotrian               Karl Schierding

Robert Heuer                      Willi Schomberg

Otto Hoffmeister                 Fritz Sellmann

Paul Just                              Wilhelm Warnecke

Fritz Kaiser

 

Der erste geschäftsführende Vorstand setzte sich zusammen aus dem:

 

1. Vorsitzenden Paul Just

Schriftführer Robert Heuer

Kassenwart Otto Beddies

 

Am südlichsten Rand der Broistedter Gemarkung „die Krähenriede", bildete sich das erste in sich geschlossene Baugebiet der Gemeinde Broistedt. Außerdem wurde im Ortsgebiet in der Lebenstedter Straße, im Hasenwinkel und im Kuhbruch, die neue Siedlung gebaut. So schlossen sich 1936 die Siedler der o.g. Baugebiete zu einer Siedlergemeinschaft zusammen. Zeitgleich mit der Entstehung der Hermann Göring Werke (heute Salzgitter Stahl) und dem Aufbau von Lebenstedt begannen die ersten Bestrebungen, Krähenriede - obgleich zu Broistedt gehörend - als eine eigenständige Einheit zu sehen. Krähenriede spaltete sich ab und wurde eine eigenständige Siedlergemeinschaft. Die guten Beziehungen zwischen den Siedlergemeinschaften blieben ungetrübt. Mit der Gründung der Stadt Salzgitter wurde Krähenriede in die Stadt eingemeindet.

 

Wer ein Baugrundstück erwarb, musste dem Deutschen Siedlerbund beitreten und die Auflagen nach Satzung erfüllen. Dafür bekam er Rechtsbeistand, Versicherungsschutz, Gartenfachberatung und war somit vor Überschuldung und Bodenspekulationen geschützt. Der Festpreis für diese ersten Siedlerhäuser mit Stall und großem Garten betrug maximal 5.000,-Reichsmark.

 

• Anmerkung am Rande: Besonders stolz sind wir Broistedter Siedler, das wir älter sind als die Siedlerbundmutter Hannover oder ist es der Vater. Egal, die oder der bringt es mal gerade auf schlappe 62 Jahre.

 

Die Siedler der ersten Stunde waren mutige Familien, die mit ihrem eisernen Willen Haus und Garten besitzen wollten. Mit Eigenleistung und Nachbarschaftshilfe wurde der Wunsch nach Eigentum erfüllt und das wiederum gab dem Ort schnell einen bescheidenen Wohlstand. Die ortsansässigen Arbeitgeber waren die Zuckerfabrik und die Molkerei, beides Genossenschaften, eine Getreidehandlung, der Erzbergbau, ein Sägewerk und eine Zimmerei. Der Mittelstand bestand aus Handwerksbetrieben aller Art, Ärzten, Apotheker, Gärtnereien, Kaufleute und Gastwirten, die neben einem ausgeprägten Vereinsleben das Ortsbild abrundeten.

 

Nun, als alles so gut bestellt war, Kinderlachen aus den Gärten erklang, begann der 2. Weltkrieg. Broistedt hatte Glück und die „Neue Siedlung" überstand unbeschadet diesen Krieg. Durch den Stillstand der Bautätigkeit in den Kriegsjahren und den vielen Heimatvertriebenen die nach Kriegsende nach Broistedt kamen, reichten die Unterkünfte aber nicht aus. Nach den ersten harten Nachkriegsjahren und der Währungsreform lebte die Bautätigkeit aber langsam wieder auf.

 

Durch die Gebietsreform 1972 wurde der Ortsteil Broistedt in die Gemeinde Lengede eingegliedert. Die Mitgliederzahl stieg in den Jahren stetig und so halten wir seit einigen Jahren einen Mitgliederstand um die 150.

 

Dass in der Ruhe die Kraft liegt, sieht man an der Tatsache, dass es erst 6 Vorsitzende in 75 Jahren gab:

 

von 1936 bis 1959 Paul Just

von 1959 bis 1960 Otto Bertram

von 1960 bis 1966 Kurt Kühn

von 1966 bis 1982 Gustav Maßberg

von 1982 bis 2004 Siegfried Sonntag

von 2004 Dietmar Neubauer

 

Wobei Paul Just, als Mann der ersten Stunde mit 23 Jahren und Siegfried Sonntag mit 22 Jahren als 1.Vorsitzende besonders zu erwähnen sind.

 

Aus den Protokollen habe ich Punkte herausgeschrieben, die teilweise lustig und menschlich sind, aber auch oft zum Nachdenken anregen:

 

• 15. April 1966 tritt Kurt Kühn aus beruflichen Gründen als Vorsitzender der Siedergemeinschaft Broistedt zurück. Gustav Maßberg wird sein Nachfolger.

 

• Ebenfalls im Jahr 1966 wurde die 30 Jahrfeier total verschlafen, denn sie fand nach meinen Unterlagen erst am 26. September 1968 in der Gaststätte Boykies statt.

 

• 1972, auch mit einem 1 Jahr Verspätung, wurde ein Antrag bei der Gemeinde Broistedt zwecks Zuschuss zur Feier „35 Jahre Siedergemeinschaft Broistedt" gestellt. Im Protokoll der Vorstandssitzung am 28. Mai 1972 ist vermerkt: Der Antrag wurde abgelehnt mit 2 x Nein und 1 x Enthaltung. Der Vorstand der aus 5 Mitgliedern bestand beschloss, es gibt trotzdem ein Vergnügen. Es meldeten sich Mitglieder, Partner und Vereine mit insgesamt 115 Personen an und damit war das Sportheim zu klein. Die Gaststätte Boykies muss damit her, aber die hat noch keinen Fußboden. Man schaffte es doch noch mit dem Fußboden bis zur Feier am 09. September 1972, die trotz Panne mit der Musik It. Protokoll ein voller Erfolg wurde. Die Panne war übrigens, die Kapelle hatte 11,-DM/Std. mündlich zugesagt und anschließend 15,- DM/Std. berechnet. Deshalb stand im Protokoll, so etwas wird nur noch schriftlich vereinbart.

 

• Dann gibt es noch die Geschichte einer Angestellten, es ist die Kassiererin Frau Müller, die ein 13. Monatsgehalt forderte. Am 28. Januar 1973 steht im Protokoll „sie soll es bekommen"!

 

• Am 19. Mai 1974 stellt Werner Fricke den Antrag, weil die Siedler bei div. Händlern und Genossenschaften bei Sammelbestellungen günstiger einkaufen können, „Die Siedlergemeinschaft haftet nicht für die Schulden seiner Mitglieder bei ihren Lieferanten"! Der Antrag wird einstimmig beschlossen und er gilt in dieser Form auch heute noch. Also liebe Siedler denkt bitte daran!


• Im Jahr 1976 wurde die 40 Jahrfeier am 28. Februar ganz groß gefeiert. Eine Festschrift mit den einleitenden Worten, "Den Verstorbenen zu Ehren, den Lebenden zur Erinnerung, den Kommenden zur Nacheiferung", ist hier besonders hervorzuheben. Zu dieser Feier musste leider ein 2 Zentner Schwein sein Leben lassen und wurde zu Wurst verarbeitet, so wie schon bei der Vorstandssitzung am 15. März 1975 beschlossen.

 

• Im Jahr 1976 taucht besagte Kassiererin Frau Müller abermals im Protokoll vom 30. Januar 1976 auf. So stand: an den Vorsitzenden Maßberg ist herangetragen worden, die Tasche zum Kassieren ist verschlissen, somit braucht Frau Müller eine Neue. Hermann Jeckel der Kassenwart meint dazu: „ich mache alles klar mit Frau Müller"!

 

• Die 45 Jahrfeier im Jahr 1981 fällt der Abstimmung bei der Vorstandssitzung am 13. Januar 1981 mit 2 Stimmen dafür, 1 Enthaltung und 7 Stimmen dagegen zum Opfer. Die Begründung war: „Der Anlass ist nicht besonders hervorzuheben" und der Kassenwart fügt hinzu: „Und Geld haben wir auch nicht"!

 

• 1980 und 1981 sind als sehr unruhige Jahre bei den    Vorstandssitzungen anzusehen. Beim Lesen der Protokolle spürt man förmlich die angespannte Stimmung, die bis zu Beschimpfungen während und außerhalb der Vorstandsitzungen gehen. Da lese ich z.B. im Protokoll und es gibt auch ein Schreiben darüber, Gustav Maßberg fragt im Ort Personen: „Möchtest du nicht Schriftführer werden, der Kühn wird mir zu selbstständig"!

 

• Zwischen dem 11. Februar 1982 und dem 22. März 1982 wird Siegfried Sonntag 1.Vorsitzender der Siedergemeinschaft Broistedt.

 

• Mit Siegfried Sonntag kehrt wieder die geordnete Ruhe ein, obwohl er gleiche eine besondere Nuss zu knacken hat. Es geht wie oft um das liebe Geld. Bei der Erntedankfestveranstaltung am 03. Oktober 1981, damals noch mit Tanzvergnügen, ist ein Bierdeckel mit 51,- DM Schulden in der Gaststätte Bonse hinterlassen worden. Es geht um Getränke, Kosten der Kapelle usw. Dieses Thema taucht bei den Vorstandssitzungen am 22. Oktober 1981 und 11. Februar 1982 auf (noch 1.Vorsitzender Gustav Maßberg). Der Kassenwart Hermann Jeckel weigert sich, den Bierdeckel bei Walter Bonse zu begleichen, obwohl es 2-mal einstimmig bei besagten Vorstandssitzungen beschlossen wird. Denn was macht dieser Kassenwart Jeckel, der geht zu Walter Bonse und fragt „ist noch was offen"? Walter in seiner großen Güte verneint und so sieht Hermann Jeckel wie er sagt „keine Veranlassung" die Summe zu begleichen. Nun spricht Siegfried Sonntag wohl sein erstes Machtwort in seiner jungen Karriere als 1.Vorsitzender, in dem er sagt: „Um den guten Ruf der Siedergemeinschaft Broistedt zu wahren, wird der Betrag bezahlt - Punkt"!

 

• Das 50. Jubiläum im Jahr 1986 wurde in Verbindung mit dem Volksfest vom 15. bis 17. August in einem angemessenen Rahmen gefeiert. Besonders hervorzuheben ist, dass zu diesem Anlass die Volkstanzgruppe der Siedlergemeinschaft Broistedt, am 03. Februar 1986 bei der Jahreshauptversammlung durch Frau Trudi Kaplanek gegründet, ihren ersten Auftritt beim traditionellen Frühstück am 17.August 1986 hatte. Diese Volkstanzgruppe hat 23 Jahre die Siedlergemeinschaft Broistedt ehrenvoll bei div. Veranstaltungen vertreten. Aus Altersgründen löste sich diese Gemeinschaft vor 2 Jahren auf. Ihr habt uns viel Freude bereitet und deshalb sagt der Vorstand nochmals vielen Dank für eure schönen Auftritte.

 

• Das 1970 erstellte Holzhaus, das für Festumzüge auf einen Gummiwagen aufgebaut wird, ist im Jahr 1998 so baufällig, dass es durch ein Leichtbauhaus auf einem Nachläufer montiert, im Jahr 1999 zum Volksfest ersetzt wird. Beide Varianten wurden durch den Vorstand in Eigenbau erstellt. Die Siedler hoffen nun, dass dieses Siedlerhaus auf dem Nachläufer, wo das Neue noch nicht von ist, bei einem Dorffest oder bei einer ähnlichen Veranstaltung bald mal wieder zum Einsatz kommt. Denn außer der vielen Mühe, hat es dem Verein auch ein -schönes-Geld gekostet.

 

• Am 30. September 2001 wird im Rahmen der traditionellen Erntedankfeier das 65-jährige Bestehen gefeiert. Besonders ist hier hervor zu heben, dass Frau Meta Beddies als Frau eines damaligen Gründungsmitgliedes mit ihren 93 Jahren geehrt wurde.

 

• Am 05. Juni 2004 wird Dietmar Neubauer 1.Vorsitzender der Siedergemeinschaft Broistedt. Siegfried Sonntag scheidet auf eigenen Wunsch aus Altersgründen aus, obwohl er in seiner liebenswerten Art, wie er mit Menschen umgeht und wie er sie achtet, für mich immer ein junger bleibt.

 

• Die 70 Jahr Feier wird am 03. Dezember 2006 mit einem gemeinsamen Frühstück für alle Siedler mit Partner in der Gaststätte Bonse gefeiert. An dem Frühstück nehmen 91 Personen teil. Der Frühstückspreis beträgt € 8,80 pro Person und wird aus der Siedlerkasse bezahlt.

 

• Heute sind wir ca.150 Personen, die sich hier zusammengefunden haben. Ja und deshalb wollen wir es auch zum 75-zigsten so richtig krachen lassen und deshalb mache ich Schluss mit der Ansprache und sage: „Aus die Maus".

 

• In diesem Sinne wünschen der Vorstand und ich der Versammlung einen schönen, harmonischen und kurzweiligen Abend und dann bis zur nächsten Feierlichkeit, demnächst- also nicht erst in 75 Jahren – sondern beim Erntedank-Kaffeetrinken, beim Martinsgansessen, bei der Braunkohlwanderung usw. bei der 75 Jahr alten, aber immer noch sehr aktiven und attraktiven Siedlergemeinschaft Broistedt."

 

O. Herdegen Schriftführer

Broistedt, den 13. August 2011